Ein Grund, warum der Vertrieb out ist, beziehungsweise warum er an Stellenwert verliert, ist schlicht und einfach: Der klassische Vertrieb funktioniert nicht mehr! Die Kaltakquise ist teuer, aufwändig, unwirtschaftlich und wird von Kundinnen als aufdringlich empfunden. Durch die Corona-Pandemie wurde der klassische Vertrieb noch mehr in den Hintergrund gedrängt, denn es gab kaum noch persönliche Anknüpfungspunkte wie Messen und Veranstaltungen, wo man mit potenziellen Kundinnen hätte Kontakt aufnehmen können. Qualifizierte Leads gibt es ebenfalls keine mehr oder sie sind nur mit sehr hohem Aufwand zu bekommen. Bevor wir jedoch tiefer eintauchen, warum das so ist, schauen wir zuvor klärend auf die Begrifflichkeiten.
Was genau ist die Aufgabe einer Key Account Managerin (KAM)? Die Key Account Managerin, kurz KAM, betreut die wichtigsten Kundinnen eines Unternehmens – die sogenannten "Schlüsselkundinnen". Ziel des Key Account Managements ist es, den Umsatz des Unternehmens durch Kundenorientierung zu steigern. Neben der Bestandskundenbetreuung gehört auch die Neukundenakquisition zum Aufgabengebiet der Key Account Managerin. Schlüsselkundinnen oder Key Accounts sind für Unternehmen so wichtig, weil sie mit diesen meist einen hohen Umsatz erzielen. Im B2B-Bereich oft bis zu 80 Prozent. Wirtschaftsexpertinnen sagen voraus, dass die Abhängigkeit von einigen wenigen Kundinnen in Zukunft weiter ansteigen wird, sodass die Position der Key Account Managerin weiter an Relevanz gewinnen wird. Das spräche also gegen meine These, dass der Vertrieb an Stellenwert verliert. Aber dazu später mehr.
Und was genau ist Beratung, auch geläufig unter dem englischen Begriff ‚Consulting‘? Je nach Schwerpunkt kann die Beratung unterschiedliche Ausprägungen haben. Die IT-Beratung unterstützt Unternehmen in IT-Projekten. Eine Beratung im Bereich digitale Transformation – wie wir sie bei Alexander Mages Consulting anbieten – begleitet Unternehmen dabei, die vielfältigen Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Und diese Herausforderungen sind zahlreich. Das fängt bei der Digitalstrategie an, geht über Change-Management, Prozesse, IT-Systeme, E-Commerce, Logistik und zieht sich im Prinzip durch sämtliche Abteilungen und Corporate Services eines Unternehmens. Die Digitalisierung bringt eine neue Art der Beraterinnen hervor. Diese sollten einen ganzheitlichen Blick auf das gesamte Unternehmen haben und im Prinzip Kompetenzträgerinnen in allen Bereichen sein. Die Unterschiede zwischen Vertrieb und Key Account Management sind also durchaus signifikant. Ein Wechsel auf die andere Seite ist nicht mal eben so zu bewerkstelligen. Jetzt aber wieder zurück zur eigentlichen Frage. Warum funktioniert der Vertrieb nicht mehr? Andreas Buhr beschreibt die Entwicklung in seinem Buch „Vertrieb geht heute anders. Das Ende des Verkaufens“ in etwa so:
- Die digitale Kundin schult sich selbst, denn der Verkauf hat online 24/7 geöffnet. Wenn die Kundin zu einer Anbieterin Kontakt aufnimmt, hat sie den Entscheidungsprozess bereits durchlaufen.
- Die Kundin ist also Expertin und benötigt die Vertriebsexpertin quasi nur noch zum Kaufabschluss.
- Es zählt nicht mehr nur der Preis eines Produkts, sondern das Gesamtpaket der Leistungen, sowie die Werte und Kultur einer Anbieterin.
- Kundinnen wollen keine Standardware, sondern ihre Produkte selbst konfigurieren. Ist die Option auf Personalisierung nicht gleich im digitalen Vertrieb, z.B. auf der Homepage sichtbar, sammelt eine Anbieterin Minuspunkte.
- Kundinnen kaufen nicht nur ein Produkt, sondern ein Produkt mit Software und Dienstleistung (sog. Product-Service-Systems, PSS). Das Gesamtpaket muss eine runde Sache für Kundinnen, mehrwertstiftend und nachhaltig ausgerichtet sein.
Alle diese Faktoren zusammengenommen, erschweren die Arbeit des Vertriebs bzw. verlagern die Aufgaben in die Beratung, ins Business Development (BD) und in das Marketing. Der Vertrieb kommt mit einem Produkt nicht mehr weiter, weil Kundinnen heute andere Bedürfnisse haben. Sie müssen komplexe Herausforderungen der Digitalisierung lösen. Da ist ein einzelnes Produkt höchstens Teil einer Gesamtlösung. Die Vertriebsexpertinnen müssen also in Zusammenarbeit mit Geschäftsleitung, Beratung und Business Development innovative Pakete entwickelt, die direkt aus dem Bedarf der Kundinnen entstehen. Der Vertrieb verliert somit ein stückweit seinen früheren Einfluss und die so hoch geschätzte Unabhängigkeit.